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Luise wäre jetzt 13 Jahre alt, sie würde die achte Klasse besuchen, hätte vermutlich viele Pläne und Spaß mit Freundinnen und ihrer Familie. Wäre. Würde. Hätte. Vor einem Jahr wurde die Schülerin brutal getötet. Mit vielen Messerstichen, am 11. März 2023.Sie verblutete nur wenige Kilometer entfernt von ihrem Zuhause in der Kleinstadt Freudenberg nahe Siegen, wurde dort in einem Waldgebiet in Rheinland-Pfalz direkt an der Grenze zu NRW gefunden. Zwei Kinder, Mädchen im Alter von damals 12 und 13 Jahren, gestanden die Bluttat. Schockierend und unfassbar bis heute.«Das Entsetzen bleibt», sagt Bürgermeisterin Nicole Reschke (SPD). Das Leid der Hinterbliebenen sei unermesslich. «Der Weg in die Normalität ist kein einfacher.» Die Bedürfnisse von Luises Familie stehen Reschke zufolge an oberster Stelle. Es sei schwer zu ertragen, dass die «Frage nach dem Warum» offenbleiben werde. Die beiden mutmaßlichen Täterinnen können strafrechtlich nicht belangt werden. Kinder unter 14 Jahren sind strafunmündig. Die Ermittlungen waren im Herbst eingestellt worden.Einen Strafprozess, ein Urteil wird es nie gebenWomöglich könnte eine Aufarbeitung des Falls aber auf einem anderen juristischen Weg in Gang kommen. Die Hinterbliebenen haben die minderjährigen Täterinnen unter anderem auf Schmerzensgeld verklagt. Die Zivilklage wurde vor dem Landgericht Koblenz eingereicht. Für die erlittenen Qualen des zwölfjährigen Mädchens hält Luises Familie demnach ein Schmerzensgeld von 50.000 Euro für angemessen sowie je 30.000 Euro für die nächsten Angehörigen.Es geht einem Gerichtssprecher zufolge um einen Streitwert von insgesamt rund 160.000 Euro. Anders als im Strafrecht könnten Kinder, die älter als sieben Jahre sind, für unerlaubte Handlungen haftbar gemacht werden. Zuerst hatte die «Westfalenpost» berichtet. Das Verfahren läuft laut Gericht. Einen Termin für eine mögliche Verhandlung gibt es bisher nicht.Wie steht es um die Familie des Opfers?Ob die Familie noch in Freudenberg wohnt oder weggezogen ist, lässt der evangelische Pfarrer Thomas Ijewski zu deren Schutz unbeantwortet. Er richtet deren Wunsch aus, man solle sich dem Grab des Mädchens nicht nähern, Privatsphäre respektieren. Auch Blumen und Plüschtiere helfen der Familie nicht mehr, wie er sagt. Am einige Kilometer entfernten Fundort der Leiche des Kindes ist kurz vor dem Jahrestag aber noch immer ein Meer von Blüten, Kerzen und Erinnerungsstücken zu sehen.Auf Fragen nach Errichtung eines zentralen Gedenkorts, meint der Pfarrer, man solle Luise im Herzen behalten, statt das grausame Geschehen «in Stein zu meißeln». Mit der Tötung des Mädchens seien zwei «Grundannahmen vom Leben» erschüttert worden: dass Kinder gut sind und dass Freundinnen zusammenhalten.» Zwar hatten die Ermittler fast nichts über die Täterinnen verlauten lassen, dass die Drei sich kannten, steht aber fest.Was macht der Fall mit dem Gerechtigkeitsempfinden?Landrat Andreas Müller (SPD) spricht von einem «grausamen Spannungsfeld.» Ihrer Familie sei Luise für immer gewaltsam entrissen, für die geständigen Mädchen werde es aber «im klassischen Sinne keine Strafe» geben. Es sei verpflichtend, den Täterinnen einen Weg zurück ins Leben zu ebnen. Für manche sei das sehr unbefriedigend, empöre, verletze das subjektive Gerechtigkeitsempfinden. Aber: «Damit müssen wir leben und umgehen.»Kurz nach Luises Tod war auch eine Debatte über eine frühere Strafmündigkeit aufgekommen, von den allermeisten aber als falsch zurückgewiesen worden. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte versprochen, Luises Tod werde nicht ohne Folgen bleiben. Der Landtag beauftragte die NRW-Regierung im Mai, die Ursachen der steigenden Kinder- und Jugendkriminalität erforschen zu lassen. Aus dem Innenministerium heißt es dazu auf Anfrage, man habe das Landeskriminalamt mit der Umsetzung der Studie beauftragt, Ergebnisse gebe es noch nicht.Die geständigen Mädchen sind in TherapieDie geständigen Kinder waren unter Obhut des Jugendamts gestellt und in einer therapeutischen Einrichtung untergebracht worden. Haben sie schwere Schuldgefühle? Dazu könne er sich nicht äußern, sagt Jugenddezernent Thomas Wüst. Allerdings: «Die Belastung empfinden sie als immens.» Ein Mädchen sei inzwischen in eine Wohngruppe gewechselt und noch in ambulanter Therapie, das andere weiterhin in klinischer Behandlung. Den beiden sei als «einziger Anker» ihr familiäres Umfeld geblieben.Pfarrer Ijewski mahnt, zum Jahrestag nicht nach Freudenberg zu pilgern, sondern im Stillen zu gedenken. Alles sei noch zu frisch, zu nahe, zu furchtbar, es brauche Zeit. «Wunden können heilen, aber Narben werden bleiben.»Bildnachweis: © Oliver Berg/dpaCopyright 2024, dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten